Wanderung und Migration
Erst in den letzten 10-15 Jahren konnte tatsächlich belegt werden, dass Aale aus der Ostsee, Nordsee, Irischen See und dem Mittelmeer in den Atlantik wandern und sich ihre Routen dabei im Gebiet der Azoren treffen. Dabei legen sie eine Strecke von 3-47 km am Tag zurück.
Untersuchungen in der Maas (Brujis et al. 2003) zeigen, dass es sich bei der Abwanderung von Aalen im Binnenland zu weit über 90 % um weibliche Blankaale mit einer Länge von 50 bis 95 cm handelt. Die Abwanderung erfolgt über das Jahr verteilt in mehreren Schüben, wobei sich die Hauptabwanderungswellen auf den Spätherbst konzentrieren. Sowohl in den Flussmündungen als auch im Meer lebende Aale beginnen ihre ozeanische Wanderung zur Fortpflanzung zu einem ähnlichen Zeitpunkt (Arai et Chino 2013). Die Faktoren und Mechanismen, die die synchrone Abwanderung der Blankaale auslösen, koordinieren und beeinflussen sind bislang weitgehend unverstanden. Einen wesentlichen Einfluss haben jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit ein Anstieg des Abflusses sowie Wassertemperatur und die Trübung des Wassers (Durif 2003).
Studien von gezielt ausgesetzten Aalen aus den Azoren, die zuvor mit Satelliten-Transpondern markiert wurden, belegen eine Schwimmgeschwindigkeit über Grund von durchschnittlich 6,5 km pro Tag und eine Höchstgeschwindigkeit knapp über 11 km pro Tag. Diese Daten unterstützen die Hypothese, dass die europäischen Aale anstatt einer schnellen Wanderung zum Laichen bei der ersten Gelegenheit eine lange und langsame Laichwanderung in die Tiefe unternehmen, die ihnen Energie spart und so das Sterberisiko verringert. Dieses Vorgehen würde es ihnen ermöglichen, ihre Fortpflanzungsreife abzuschließen, bevor sie rechtzeitig zum Höhepunkt der zweiten Laichzeit nach Beginn ihrer Wanderung im Laichgebiet eintreffen (Wright et al. 2022).
Daemen et al. (2001) haben auf der Grundlage ihrer Mikrosatelliten-DNA-Studie an Aalen, die ein breites geografisches Spektrum abdeckt, herausgefunden, dass der europäische Aal in einem genetischen Mosaik vorkommt, das aus isolierten Gruppen besteht. Wenn man die Sargasso-Meer-Theorie berücksichtigt, ist es wahrscheinlich, dass sich Exemplare aus verschiedenen geografischen Gebieten nicht vermischten, sondern dazu neigten, sich mit Mitgliedern aus ihren eigenen oder benachbarten Gebieten zu paaren. Diese Auffälligkeit ist möglicherweise einfach erklärbar: Aale wandern mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und so kommen sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Laichgebiet der Sargassosee an und es ist daher plausibel, dass die Paarung mit anderen Individuen erfolgt, die zu ähnlichen Zeitpunkten ankommen (Righton et al. 2021). Die Ergebnisse vergangener Studien deuten außerdem darauf hin, dass durch das Schwimmen während der Wanderungszeit bei den ausgewachsenen Aalen eine Mobilisierung von Fettzellen angeregt wird, die nötig ist, um den natürlichen Einbau dessen in die Eizellen zu fördern. Ein Prozess, der für die Eizellen einen entscheidenden Schritt in der Eizellreifung darstellt. Die Aale müssen also Schwimmen, um bereit für die Fortpflanzung zu sein (Palstra et al. 2007).
Ist die Paarung vollzogen, wandern die jungen Larven zurück an die Küsten ihrer heimischen Gewässer. Den Weg zurück finden sie mithilfe von Magnetfeldern, wie anhand eines magnetischen Verschiebungsexperimentes gezeigt wurde (Naisbett-Jones et al. 2017). Von dort aus wandern die meisten von ihnen ins Süßwasser und an die oberen Grenzen der Gezeitenströmung, die von den Aalen bewohnt werden (Kaifu et al. 2010). Sobald Süßwasser entdeckt wird, kann dies eine Reihe von Verhaltensweisen auslösen: Die Individuen wandern entweder weiter flussaufwärts, kehren in das Brackwasser zurück oder können eine nomadische Lebensweise annehmen, bei der sie eine Reihe von salzhaltigen Lebensräumen nutzen (Daverat et al. 2006, Cairns et al. 2009). Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass die Art und Qualität des Lebensraums für Aale eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung des Bestandsrückgangs spielen, da sie Einfluss auf die Qualität und das Fortpflanzungspotenzial der erwachsenen Laicher haben (Marohn et al. 2013).
Aale sind im Übrigen auch potenziell von den klimatischen Veränderungen und/oder ozeanografischen Prozessen betroffen (Kimura et al., 2001; Bonhommeau et al., 2008; Miller et al., 2009; Pacariz et al., 2014) Der Klimawandel wirkt sich höchstwahrscheinlich auf die Individuen während ihrer kritischsten Lebensstadien aus. Diese stellen zumeinen die ozeanische Wanderung der Larven vom Laichplatz zum Lebensraum an der Küste und im Süßwasser sowie die Wanderung der adulten Blankaale vom Lebensraum zurück in ihre ozeanischen Laichgebiete dar. Ozeanografische Faktoren (z. B. Strömungen, thermische Strömungen, Thermik und zunehmende Versauerung) beeinflussen sowohl die Wanderungen vor dem Laichen als auch die Larvenwanderungen und Überlebensraten (Miller et al., 2009).
Quellen
Arai, T., Chino, N., 2022. Contribution of migratory types to the reproduction of migrating silver eels in a tropical eel, Anguilla bicolor bicolor. Heliyon 8
Palstra, A., Curiel, D., Fekkes, M., De Bakker, M., Székely, C., Van Ginneken, V., Van den Thillart, G., 2007. Swimming stimulates oocyte development in European eel
Bonhommeau, S., Chassot, E., Planque, B., Rivot, E., Knap, A.H., Le Pape, O., 2008. Impact of climate on eel populations of the Northern Hemisphere. Mar. Ecol. Prog. Ser. 373, 71–80
Bruijs, M. C. M., H. V. Winter, Schwevers, U. Dumont, 2003. Management of silver eel: Human impact on downstream migrating eel in the river Meuse. - KEMA-Report 50180283-KPS/MEC 03-6183, Abschlußbericht des EU-Forschungsprojekts Q5RS-2000-31141, 105 S.
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Daverat, F., Limburg, K.E., Thibault, I., Shiao, J.-C., Dodson, J.J., Caron, F., Tzeng, W.-N., et al., 2006. Phenotypic plasticity of habitat use by three temperate eel species, Anguilla anguilla, A. japonica and A. rostrata. Mar. Ecol. Prog. Ser. 308, 231–241.
David Righton, Adam Piper, Kim Aarestrup, Elsa Amilhat, Claude Belpaire, John Casselman, Martin Castonguay, Estibaliz Díaz, Hendrik Dörner, Elisabeth Faliex, Eric Feunteun, Nobuto Fukuda, Reinhold Hanel, Celine Hanzen, Don Jellyman, Kenzo Kaifu, Kieran McCarthy, Michael J. Miller, Thomas Pratt, Pierre Sasal, Robert Schabetsberger, Hiromi Shiraishi, Gaël Simon, Niklas Sjöberg, Kristen Steele, Katsumi Tsukamoto, Alan Walker, Håkan Westerberg, Kazuki Yokouchi, Matthew Gollock, 2021. Important questions to progress science and sustainable management of anguillid eels
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