Die Vermehrung der Aale
Untersuchungen zum Auftreten von Larven haben gezeigt, dass die Paarung der Aale in der Sargassosee jedes Jahr im Dezember beginnt, im Februar/März ihren Höhepunkt erreicht und bis in den Mai andauert (Ringhton et al. 2016, Munk et al. 2010). Zudem lässt sich die Hypothese aufstellen, dass das Laichen in der Sargassosee kollektiv und gleichzeitig erfolgt, wobei es vermutlich in den oberen 200 m des Ozeans stattfindet (Van Ginneken et Maes 2005).
Bei Aalen, die aus unseren Gewässern ihre Wanderung in die Sargassosee antreten, sind die Ovarien und Hoden noch nicht entwickelt. In unseren Gewässern erreichen Aale ihre Geschlechtsreife nicht, weil die Ausschüttung der dafür notwendigen Hormone blockiert ist. Wie die natürliche Entwicklung der Geschlechtsorgane erfolgt, ist nicht bekannt. Soll die Fortpflanzung der Aale in unseren Gewässern oder in der Aquakultur ausgelöst werden, lässt sich die hormonelle Blockade nur durch Injektion der Hormone aus der Hypophyse überwinden, die auch unter natürlichen Bedingungen die Geschlechtsreife steuern.
In der jüngsten experimentellen Forschung ist es gelungen, lebensfähige Eier und Larven des Europäischen Aals zu züchten, was die erste Grundlage für Studien über die frühen Lebensstadien dieser Art in Gefangenschaft bildet (Sørensen et al. 2016). Unter kontrollierten Kulturbedingungen wurden z.B. Eier des Europäischen Aals mit einem Durchmesser von 1,6 ± 0,08 mm erhalten (Sørensen et al., 2015). Hierbei wurde entdeckt, dass die Embryonalentwicklung von der Befruchtung bis zum Schlüpfen der Larven bei 20 °C ~46-48 Stunden dauert, wobei die Larven in einem relativ unentwickelten Stadium mit einem vorstehenden Dottersack schlüpfen. Dieser dient in den ersten 7-14 Tagen der Ernährung der frisch geschlüpften Larven. Erst ungefähr 12 Tage nach dem Schlüpfen bei 20 °C schienen die Larven fähig zu sein, zu fressen und waren sogar in der Lage, weitere 10 Tage ohne Nahrungsaufnahme zu überleben. Nach dem Schlüpfen zeigen die Larven ein stetiges Längenwachstum von bis zu 0,25 mm am Tag, um zu der typischen langgestreckten Schlangenform heran zu wachsen, wie wir sie später einmal kennen. Das Gebiss der Larven ist im Alter von 12 bis 13 Tagen nach Schlupf bereits voll entwickelt. Eine Studie über die funktionelle Morphologie des Europäischen Aals ergab jedoch, dass die Beißkraft der Aallarven in diesem Größenbereich noch relativ schwach ist und sie nicht in der Lage sind, Objekte von 0,1 mm zu verschlucken (Bouilliart et al., 2015). Dies unterstützt die Hypothese, dass Aallarven flockige oder gelatinöse Nahrung wie den sogenannten Meeresschnee aufnehmen. Dabei handelt es sich um winzige organische Partikel aus abgestorbenem Plankton und kleineren Lebewesen sowie deren Ausscheidungen.
Derzeit müssen jedoch noch einige Hindernisse für eine erfolgreiche Larvenaufzucht des Europäischen Aals überwunden werden. Eines dieser Hindernisse ist die Identifizierung der optimalen biophysikalischen Bedingungen wie Temperatur, Salzgehalt, Besatzdichte und Turbulenz während der frühen Lebensstadien. Außerdem birgt die Aufzucht von Aalen des Dottersackstadiums bis zur ersten Nahrungsaufnahme viele Schwierigkeiten, insbesondere sind die Larven besonders anfällig für den negativen Einfluss von Mikroben und ungünstigen Aufzuchtbedingungen (Tomkiewicz et al., 2013; Sørensenet al., 2014). Die natürliche Ernährung der späteren Leptocephalus-Larven ist außerdem noch unbekannt, obwohl Versuche unternommen wurden, die natürlichen Nahrungsquellen zu identifizieren (Riemann et al, 2010). Zudem sind Aale sehr empfindlich gegenüber organischen Schadstoffen, die den Fortpflanzungserfolg beeinträchtigen können (Robinet et al. 2002, Palstra et al. 2006, Lamson et al. 2009). Daher ist das Aalwachstum in Süßwasserumgebungen anfälliger für mögliche Auswirkungen organischer Schadstoffe auf die Fortpflanzung und Überleben als in Meeresgewässern (Palstra et al. 2006, Lamson et al. 2009).
Quellen
Bouilliart, M., Tomkiewicz, J., Lauesen, P., Kegel, B.D., Adriaens, D., 2015. Musculoskeletal anatomy and feeding performance of pre-feeding engyodontic larvae of the European eel (Anguilla anguilla). J. Anat. 227, 325–340
Lamson, H.M., Cairns, D.K., Shiao, J.C.Y., IIzuka, Tzeng, W.N., 2009. American eel, Anguilla rostrata, growth in fresh and salt water: implications for conservation and aquaculture, Fish. Manag. Ecol. 16. 306–314.
Munk, P. et al. 2010. Oceanic fronts in the Sargasso Sea control the early life and drif of Atlantic eels. Proc. Biol. Sci. 277, 3593–3599
Palstra, A.P. , Van Ginneken, V.J.T, Murk, A.J., Van den Thillart, G.E.E.J.M., 2006. Are dioxin-like contaminants responsible for the eel (Anguilla anguilla) drama? Naturwissenschaften 93. 145–148.
Riemann, L., Alfredsson, H., Hansen, M.H., Als, T. D., Nielsen, T.G., Munk, P., Aarestrup, K., Maes, G.E., Sparholt, H., Petersen, M.I., Bachler, M., Castonguay, M., 2010. Qualitative assessment of the diet of European eel larvae in the Sargasso Sea resolved by DNA barcoding. Biology Letters. 6. 819-822
Righton, D. et al. 2016. Empirical observations of the spawning migration of European eels: Te long and dangerous road to the Sargasso Sea. Sci. Adv. 2, e1501694
Robinet, T., Feunteun, E., 2002. Sublethal effects of exposure to chemical compounds: a cause for the decline in Atlantic eels? Ecotoxicology 11. 265–277
Sørensen, S.R., Butts, I.A.E., Munk, P., Tomkiewicz, J., 2015. Effects of salinity and sea salt type on egg activation, fertilization, buoyancy and early embryology of European eel, Anguilla anguilla. Zygote. pp. 1–18
Sørensen, S.R., Skov, P.V., Lauesen, P., Tomkiewicz, J., Bossier, P., De Schryver, P., 2014. Microbial interference and potential control in culture of European eel (Anguilla anguilla) embryos and larvae. Aquaculture 426–427, 1–8.
Sørensen, S.R., Tomkiewicz, J., Munk, P., Butts, I.A.B., Nielsen, A., Lauesen, P., Graver, C., 2016. Ontogeny and growth of early life stages of captive-bred European eel
Tomkiewicz, J., Støttrup, J.G., Corraze, G., Kausik, S., Holst, L.K., McEvoy, F., Dufour, S., Lafont, A.-G., Asturiano, J.F., Sørensen, S.R., Tveiten, H., De Schryver, P., Butts, I.A.E., Munk, P., Zambonino, J.I., Politis, S.N., Johnsen, M.K., Lauesen, P., 2013. Reproduction of European eel and larval culture: state of the art. Commun. Agric. Appl. Biol. Sci. 78, 455–456.
Vincent J. T. van Ginneken Æ Gregory E. Maes, 2005. The European eel (Anguilla anguilla, Linnaeus), its lifecycle, evolution and reproduction: a literature review